Kaffeetasse
Tube
Die Wanderschuhe
Knoblauchpresse
Diese Knoblauchpresse erinnert mich immer, wenn ich sie sehe oder benutze, an meine Eltern, vor allem an meinen Vater. Essen hat in unserer Familie immer eine große Rolle gespielt. Nicht, dass wir immer besonders viel oder zu viel gegessen hätten, nein, es ging eher immer darum, gut zu essen und neue Geschmacksrichtungen auszuprobieren. Meine Eltern waren im Vergleich zu anderen ihrer Generation kulinarisch immer sehr experimentierfreudig. Als sich noch kaum jemand vegetarisch ernährte, taten wir das in meiner Kindheit ein paar Jahre lang. Später, wieder zur Fleischkost zurückgekehrt, wurden immer wieder neue Gerichte aus anderen Ländern ausprobiert: neben italienischen, griechischen oder französischen Gerichten, die wir in unseren Urlauben kennengelernt hatten, auch asiatische (chinesische, indische usf.) und sogar afrikanische. Gemeinsam war diesen meist nur der hohe Einsatz von Knoblauch. Unzählige Male habe ich meinen Vater mit der Knoblauchpresse Knoblauch pressen gesehen. Auch in meinem Erwachsenen-Leben ist gutes Essen wichtig und mein Interesse an fremdländischen Gerichten groß. Knoblauch ist mein Lieblingsgewürz (geblieben). Auf Schokolade könnte ich eher verzichten als auf ihn – weshalb die Knoblauchpresse häufig im Einsatz ist.
Sonja Hintermeier
Blau
Zum blauen Boden…womöglich nicht Tag 1, aber gleich danach, da hatte ich eine hellblaue Babydecke. Diese hat mich die ersten anderthalb Jahre begleitet und danach hat sie noch jedem meiner vier Brüder gedient. Ich glaube, daher kommt meine Hellblau-Affinität. Hatte dann schon als Kind und Jugendlicher immer eine hellblaue Wand in meinem Zimmer. Später wurde es zu 120 m² auf den Fußboden unserer Loft beim Studium ausgeweitet… Jetzt sitz ich in der Küche am Land, hinter mir der hellblaue alte Holzherd, vor mir die hellblaue Wand. Dieser Boden auf dem Foto ist der Küchenboden in Wien und hat auch schon wieder fünfzehn Jahre auf dem Buckel…
Markus Rössle
Englisches Haus
Dieses Haus steht in Schönborn in Niederösterreich. Mich erinnert es an eine Reise nach Südengland, die wir vor 15 Jahren gemeinsam mit unseren Freunden Brigitte und Jürgen anlässlich eines runden Geburtstags von Stefan, meinem Mann, gemacht haben. Das “Original” steht in Beaulieu, New Forest, Hampshire. Besucht haben wir Beaulieu, weil es dort unter anderem ein Oldtimer Museum gibt. Stefan und Jürgen teilten die Leidenschaft für alte englische Autos. Wir wohnen seit drei Jahren in der Nähe dieses Hauses in Schönborn. Anfänglich war ich immer traurig, wenn ich vorbeiging, denn Jürgen ist vor 10 Jahren an einem Gehirntumor gestorben. Mittlerweile macht es mich aber froh, denn es erinnert mich an wunderschöne Tage in Südengland und Jürgen wäre ohne dieses Haus sicherlich nicht so oft “on my mind”.
Ingrid Schön
Kerze
Für das religiöse Erleben in meiner Kindheit – in einem kleinen Dorf auf dem Land – waren zwei Dinge für mich wichtig und letztlich ausreichend: Der Dechant Valentin B., schon ein etwas in die Jahre gekommener Herr, war ein begnadeter Erzähler. Im Religionsunterricht der Volksschule verursachte er mit seinen biblischen Geschichten das lebhafteste Kino in meinem Kopf. Heute noch habe ich einzelne Filmsequenzen parat. Einmal im Jahr, am Fronleichnamstag, fand ein farbenfroher Umzug im Dorf statt, bei dem der Dechant unter einem Baldachin ging und eine goldene Monstranz vor sich her trug, in die er konzentriert hineinblickte. Dieses Hineinblicken war stets ein Geheimnis und Rätsel. Was konnte der Dechant sehen, was mir zu sehen verwehrt blieb? Jetzt, nach mehr als 50 Jahren, taucht plötzlich meine Erstkommunionskerze auf (meine Mutter hat ihren Dachboden entrümpelt). Auf der beiliegenden Ansteckschleife steht „Andenken an meine heilige Kommunion“. Zu dieser Veranstaltung habe ich keine einzige Erinnerung, kein inneres Bild und nichts. Ich könnte bloß Fantasien dazu andenken und eine Geschichte erfinden. Die Personen darin würden heißen: Sepp, Erwin, Hans, Sigrid, Armin, Dorli, Wolfgang und Brunhilde.
Erich Hubmann
Meine Schallplatten
Onkel Willi wurde Witwer. Das Begräbnis der Tante habe ich geschwänzt, obwohl ich sie als Kind sehr gerne hatte. Ein bisschen auch aus schlechtem Gewissen heraus habe ich ihn dann nach ein paar Wochen besucht. Ich kannte natürlich die Umstände schon, das tatsächliche Ausmaß seines Zustandes fand mich aber dennoch unvorbereitet. Eine finstere winzige Bude, er war nicht mal in der Lage sich um die Notstandshilfe zu kümmern und ich habe gelernt, dass man eine Toilette durchaus auch als Vorratsraum nutzen kann. In den kommenden Monaten waren wir dann beschäftigt mit Übersiedlung und diversen Behördenwegen und ich lernte dafür die eigenartig faszinierende Welt seiner geliebten Wirtshäuser kennen. Das Wirtshaus, sein wahres Leben, auf dessen Altar er jede freie Minute und wohl auch ein besseres Leben geopfert hatte. Ein seltsames Sammelsurium an mehr oder weniger gescheiterten Existenzen und einsamen Seelen. Mehr Männer, aber durchaus auch Frauen, hier entweder als „Pupperl“ oder „gnädige Frau“ tituliert, nach meiner Einschätzung weitgehend unabhängig von Alter oder Aussehen. Das Publikum ist scheinbar überall dasselbe. Der Kellnerin, wiewohl eher doch ein reichlich verblühtes Mädchen, wird dennoch gönnerhaft auf den Popsch gehauen. Nicht alle reden, manche sitzen auch bei einem Viertel stundenlang und hören nur zu. Ansonsten erinnere ich mich an durchaus lebhafte Gespräche quer über die Tische, die auch schon mal Spaß gemacht haben. Dort in den Wirtshäusern hatte Onkel Willi auch seinen unternehmerischen Lebensmittelpunkt. Er betrieb jahrzehntelang Jukeboxen in diversen Lokalen. Leider hatte ihn die Umstellung auf computerartige CD-Wurlitzer Mitte der 80er Jahre ums ohnehin nie recht üppige Geschäft gebracht. Ein anfangs vielversprechender Versuch auf Glücksspielautomaten umzusteigen, endete mit einem kräftigen blauen Auge. Den schlagenden Argumenten der Konkurrenz um dieses weit lukrativere Geschäft hatte er nichts entgegen zu setzen. „Thomas“, sagte er zu mir vor der Übersiedlung in ein besseres Domizil, „ich habe am Dachboden noch ein paar Schallplatten, magst du die haben? Sonst werfe ich sie weg.“ Die „paar“ Platten entpuppten sich als Wäschekörbe mit tausenden Vinyl Singles, alle ohne Cover, denn die gab‘s extra in einer eigenen riesigen Schachtel. Alles was ab den frühen 60er Jahren so an Rock & Schnulzen in seinen Jukeboxen drin und dann wieder draussen war. Die 25 Jahre seither verbringe ich damit, das eher längerfristig angelegte Projekt „Putzen, polieren und das passende Cover suchen“ einer Finalisierung zuzuführen. Dessen Abschluss harre ich zwar noch immer, das Dutzend Schachteln begleitet mich aber seither bei allen Übersiedlungen. Aktuell besitze ich, seit meine Mama mein vollständiges 78er Panini Album nebst meinen kompletten Penthouse Jahrgängen „ausgemistet“ hat, außer diesen Platten nichts, was ich seinerzeit schon mein Eigen nannte. Onkel Willi ist schon im Jahr darauf, 3 Päckchen „HB“ pro Tag, später dann „Johnny“, haben ihren Tribut gefordert, gestorben. Manchmal frage ich mich, ob es diese seltsame Wirtshaus Parallelwelt in Wien noch immer gibt? Sind die Schallplatten nun ein Vermögen wert, wie manche behaupten? Oder sind sie, weil ja vielfach zerkratzt und schmutzig, auch reichliches Schnulzenprogramm, eher dem Sperrmüll zuzurechnen? Mein Entschluss die Sortierung durchzuführen und das festzustellen, ist unumstößlicher denn je.
Thomas Friedl
Oma
Vor über 30 Jahren wurde meine erste Enkeltochter geboren. Am Tag ihrer Geburt feierten wir und Freunde erstanden diese „Bilderbuchoma“ als Geschenk für mich.
Ingeborg Hildebrandt
Der gelbe Wecker
Ich war ungefähr zehn oder zwölf Jahre alt, als dieser gelbe Wecker in meinem Zimmer landete, er wanderte innerhalb der Familie hin und her, je nachdem, wer gerade früh aufstehen musste. In dieser Zeit dürfte ich dann irgendwann beschlossen haben, dass es mein Wecker ist, denn einige Jahre später ist er ganz selbstverständlich mit in meine erste WG gezogen, vielleicht unbewusst als kleine, tickende Verbindung zur Familie. Seit damals hat er mich von Wohnung zu Wohnung begleitet, von Linz nach Rom und weiter nach Wien. Letztlich war er über Jahrzehnte so selbstverständlich da, dass er mir gar nicht mehr richtig aufgefallen ist. Aufgefallen ist er mir erst wieder, als vor 2 Jahren das Schlafzimmer ausgemalt wurde und ich mir aus einer Veränderungslaune neben einem neuen Bett auch einen neuen, kleineren, unauffälligeren, grauen Wecker zugelegt habe. Handy, Digital- oder Radiowecker kann ich in Bettnähe nicht leiden, zumindest nicht auf Dauer. An Schlaf war dann leider bereits in der ersten Nacht nicht zu denken, weil mich das objektiv gesehen zwar recht leise, aber extrem hektische Geräusch des „Neuen Grauen“ fast wahnsinnig machte. In meiner subjektiven Wahrnehmung wurde er nervtötend laut und sein rasend schnelles Ticken gab mir das Gefühl, dass mir die Zeit buchstäblich davonläuft, dass ich gar keine Zeit zum Schlafen habe. Also sofortiger Wechsel zurück zum „Gelben“ und mir wurde klar, wie sehr ich mich an ihn gewöhnt hatte, sein eigentlich ziemlich lautes Hämmern nehme ich die meiste Zeit gar nicht wahr, so sehr scheint sich unser beider Herzrhythmus über die Jahre angepasst zu haben. Seither tickt er wieder unaufgeregt, gemütlich neben dem Bett, nur selten schiebt sich kurz auch sein Ton in meine bewusste Hörwahrnehmung und erinnert auch er mich an das Vergehen der Zeit, zumindest aber dehnt er dann die Dauer der vergehenden Sekunden so versöhnlich in die Länge, dass ich beim Sekunden statt Schafe zählen beruhigt in den Schlaf dämmern kann. Der „Neue Graue“ landete schließlich im Gästezimmer, wo er vor Kurzem nach nur zwei Jahren den Geist aufgegeben hat, seine hektisch tickende Zeit ist überdimensional schnell abgelaufen.
Hertha Hurnaus
Dörrzwetschken
In meiner Kindheit in Vorarlberg besuchte ich manchmal meine Großeltern, die nebenan wohnten. Sie hatten eine große Wiese mit riesigen Apfel- und Zwetschkenbäumen. Mein Opa nahm mich oft mit zum Hasenstall, wo ich die kleinen Kaninchen füttern durfte. Löwenzahn mochten sie am liebsten. Mein Opa war Schmied und Selbstversorger. Er hielt Hühner, ein Schwein, manchmal eine Ziege und baute sämtliches Gemüse an. Im und nach dem Krieg mussten seine sieben Kinder nie hungern. Den französischen Besatzern bot er im Tausch gegen andere Lebensmittel sogar selbstgezogenen Tabak an. In seiner Hosentasche hatte er immer ein paar Dörrzwetschken. Als wir durch die Wiese mit dem kniehohen Gras stapften, reichte er mir manchmal eine dieser Zwetschken. Ich erinnere mich an seine raue Hand mit dem wertvollen Geschenk. Ich mochte diese Zwetschken sehr. Man brauchte etwas Geduld. Erst wenn man eine Weile darauf herumkaute, entfaltete sich nach und nach der ganze süße fruchtige Geschmack. Jetzt, da ich selbst eine achtjährige Tochter und einen alten Zwetschkenbaum habe, wurde diese Erinnerung wieder wach. Ich habe unsere Zwetschken in Hälften geschnitten und im Dörrapparat gedörrt. Mein Opa hat sie damals ganz gedörrt, mit Stein drinnen.
Simone Christl
Essen war in unserer Familie schon immer ein wichtiges Thema
Neben dem allgemein bekannten Zweck der Ernährung – was für die Kriegs- und Nachkriegsgenerationen ohnehin wichtig genug war –, bedeutete Essen in früheren Zeiten meiner Familie auch Pause vom harten Arbeiten. Von harter Arbeit – oder einer wohlverdienten Pause davon – kann ich aus eigener Erfahrung nichts berichten, und so ist Essen für mich ein gemeinschaftliches Zusammenkommen der Familie. Traditionell wird bei uns abends eine Jause gegessen. Nachdem meine Mutter eher salzig isst, darf bei keiner Jause Wurst fehlen. Obgleich sie „eh nicht viel Wurst isst“, wie sie immer sagt. 😉 Und wenn ich mal was anderes als Jause abends vorschlage, ertappe ich sie immer wieder mal, dass sie sich danach eine Scheibe Wurst von der vorrätigen Stange herunterschneidet – fast schon heimlich in der Küche … und immer mit glänzenden Augen. Nach Jahren der Beobachtung dieser Genussmomente denke ich mittlerweile bei Wurst oft an meine Mutter. Nun, eine Wurst trifft kaum meinen Geschmack, aber Essen bringt meine Augen schon auch zum Glänzen. Bei mir wäre das wohl eher der Griesschmarrn.
Petra Ullmann
Fernsehapparat
Der erste Fernsehapparat meiner Eltern war ein Hornyphon-Gerät, das sie allabendlich einschalteten. Da Fernsehen wie auch das Lesen von Comics als vor allem für Kinder schädlich galt, war meine Zeit vor dem Gerät genau bemessen. Spätestens nach der Werbung nach den Abendnachrichten, also um 20:15 Uhr, war Schluss. Und der letzte Höhepunkt war die allabendliche Werbesendung mit Otto Schenk und Alfred Böhm, die um diese Zeit endete. Die Zeit davor und danach durfte ich nur im dunklen Nebenzimmer meinen auf Tonband aufgezeichneten Liedern lauschen. Auf der Couch liegend, mit dem Tonband Gerät auf der Brust, hörte ich nicht nur meine Musik, sondern leise auch den Ton des Fernsehprogramms nebenan.
Werner Rappl
Ring
Diesen Ring trug meine Oma immer. Ich war als Kind fasziniert davon, eine Schlange am Finger zu haben. Als meine Oma starb, ließ meine Mama das fehlende Rubin-Auge einsetzen und schenkte ihn mir. Der Ring ist völlig anders als ich – er ist gold, groß und auf gewisse Weise üppig. Wenn ich ihn trage, muss ich mich auf den Ring einstellen und ganz anders anziehen. Ich mache das immer, wenn meine Mama, meine Tochter und ich gemeinsam ins Theater gehen. Und dann sage ich immer: „Das gefällt der Omi, dass sie jetzt bei uns ist.“
Ulli Helm
Larghissimo ICH sehr langsam
Larghissimo sehr langsam
grave schwer
lento langsam
adagietto ziemlich ruhig, ziemlich langsam
moderato mäßig
vivace, vivo lebhaft, lebendig
prestissimo äußerst schnell
amoroso lieblich, liebevoll, mit Leidenschaft, mit Liebe
con dolore mit Schmerz
con fuoco mit Feuer
con spirito/spiritoso belebt
giocoso freudig, verspielt
impensierito nachdenklich
lugubre traurig, klagend
ma non troppo aber nicht zu sehr
moderato gemäßigt
morendo ersterbend
mosso bewegt
risoluto entschlossen, zupackend
scherzando heiter
teneramente zart, zärtlich
tranquillo ruhig
un poco ein wenig
Handan Hueber
Die Weste meiner Schwester
Das war die Weste meiner Schwester Sylvia. Ich erinnere mich gut, wie wir gemeinsam auf die Mariahilferstraße fuhren, um dort für sie eine Weste zu kaufen. Sie war ganz stolz, dass sie abgenommen hatte und wollte daher ein neues Kleidungsstück. Nach längerem Überlegen entschied sie sich für diese dunkelgrüne Jacke. Es dauerte doch nicht lange und ihre Krankheit machte ihr immer mehr zu schaffen. Im Zuge dessen nahm sie immer mehr ab. Bald passte ihr die Weste nicht mehr. Sie verschwand in ihrem Kasten. Eines Tages, als ich sie besuchte, hatte sie die Weste in der Hand. Sie gab sie mir mit den Worten: ”Nimm du sie, ich brauche sie nimmer”. Ich lehnte ab und sagte ihr, dass es ihr bald besser gehen werde und sie dann die Weste wieder braucht. Sie bestand aber darauf und drückte sie mir in die Hand. Leider hat sie Recht behalten, dass sie die Weste nicht mehr anziehen wird. Jetzt liegt die dunkelgrüne Weste bei meinen anderen Westen und erinnert mich an meine Schwester, wann immer ich mir eine Weste nehme. Ich schaffe es aber nicht sie zu tragen, diese grüne Weste.
Elisabeth Deckenbach
Handlicht
Eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen, da muss ich etwa vier Jahre alt gewesen sein, für frühere Bilder gibt’s keinen Speicherplatz, weil die Eindrücke offenbar nicht nachhaltig genug waren, jeden Tag kam ja eine neue Sensation dazu, die die vorherige verdrängt hat, also diese eine frühe Erinnerung war, dass wir an einer bösen Landstraße lebten, böse deshalb, weil rund um die Uhr heftiger Verkehr auf ihr an unserem Haus vorbeitobte, diese Straße zu überqueren war mir und meiner zwei Jahre jüngeren Schwester natürlich strengstens untersagt, die Straße wurde als gieriges, gefräßiges Tier dargestellt. Eines Abends passierte etwas auf dieser Straße, der Verkehr brach plötzlich ab, es war so still wie nie, aber viele Lichter flackerten in unsere Wohnung, meine Schwester und ich durften aber nicht raus, die Bedrohung war offenbar näher gekommen, wir standen auf dem Sofa am Fenster, durften zumindest die Gardine beiseite schieben und mutmaßen, was da draußen vor sich ging oder gegangen war, während unsere Mutter mit einer kleinen Taschenlampe rausging, diese Taschenlampe war für mich das Synonym für Sicherheit, solange du sie hast, kann dir nichts passieren, wie ein optisches Halteseil im Dunkeln, wir sahen Mutters kleines Licht draußen flackern, wir wussten ja, sie kommt wieder, das optische Signal versprach es. Irgendwann kam sie verstört zurück, sie wollte nicht sagen, was sie da beleuchtet hatte, was da draußen passiert sein konnte. Später erzählte sie es uns doch, weil uns natürlich die Neugier schier zerriss. Ein alter Mann wollte betrunken die Landstraße überqueren, und wurde von einem Lastauto erfasst und getötet (das wird sie nicht gesagt haben, sie wird gesagt haben, er sei krank geworden, oder irgendwas kindgerechtes). Viel später schenkte sie mir diese Taschenlampe, aber aus einem anderen Grund, nicht dass ich im Alter noch nach Details aus jener Nacht gebohrt hätte, wie der Tod des Mannes beschaffen sein musste, nein, weil diese kleine Taschenlampe plötzlich erklärte, woher das Wort herkommt, womit wir unsere Mobiltelefone bezeichnen, das Wort existiert im deutschen Sprachschatzkästchen nämlich schon etwas länger, nämlich lange bevor die Telefone ihre Schnüre loswurden. Vermutlich waren sogar die Japaner schuld. Denn Anfang der sechziger Jahre entwickelte die Firma Daimon (japanisierte Version von Diamond) diese kleine Taschenlampe und nannte sie Handy. Aus dem Handlicht wurde ein Handtelefon, beide praktisch, handlich, griffbereit, und für mich bis heute das Versprechen, dass ich mir keine Sorgen machen müsse.
Tex Rubinowitz
Ungarischer Trachtenärmel
Festtagskleid! Meine Mutter hatte es für mich aus einem Blusenärmel der Tracht meiner ungarischen Großmutter genäht. Wenn ich das Kleid betrachte, erinnere ich mich an eine Fronleichnamsprozession. Meine Freundin und ich hatten ein mit weißem Krepppapier ausgelegtes Körbchen dabei, aus dem wir Blumenblätter streuten. Hinter uns kam der „Himmel“. Meine Mutter war ein sehr gläubiger Mensch und nahm mich jeden Sonntag und zu allen kirchlichen Festtagen mit in den Gottesdienst. Diese feierliche Atmosphäre stimmte mich immer sehr fröhlich und hoffnungsvoll. Als ich dieses Kleidchen viele, viele Jahre später im Wäscheschrank meiner Mutter entdeckte, nahm ich es mit schönen Erinnerungen wieder an mich.
Helene Binder-Kriegelstein
Prag
Diese Zuckerln habe ich vor langer Zeit geschenkt bekommen und weil mir die Verpackung so gut gefällt, hab ich sie nie geöffnet. Jedes Mal wenn mein Blick die Schachtel streift, denke ich an meinen lange zurückliegenden Besuch in Prag. Dort war ich im Künstlercafé Slavia, in dem das bekannte Gemälde “Der Absinthtrinker” von Viktor Oliva hängt. Nach Kaffee und Kuchen und “prosím úcet” suchte ich das WC auf, habe meinen Ring vor dem Händewaschen vom Finger gezogen und am Waschbeckenrand deponiert…..und beim Rausgehen vergessen……Der Ring hatte einen Stein in Grünschattierungen. Wie Absinth 😉
Birgit Kinder
Clown
Vor 28 Jahren hab ich diesen Clown von meiner damaligen besten Freundin bekommen. Wir arbeiteten zusammen und verbrachten auch unsere Freizeit zusammen. Sozusagen unzertrennlich. Dann began meine Herum-Reiserei. Ich lebte und arbeitete ständig wo anders und landete 1992 in Wien. Zu dieser Zeit began bei meiner Freundin eine schwierige Phase. Durch die Distanz, und weil jede mit ihren Sachen beschäftigt war, verlor sich – je länger je mehr – die Beziehung, und plötzlich war sie unauffindbar geworden. So hörten wir sicher 20 Jahre nichts mehr von einander. Ich hab immer wieder nach ihr gesucht, aber vergebens. Im letzten Jahr 2016, im Herbst, erzählte mir ein Freund, er wisse, wo sie arbeite. Also fuhr ich beim nächsten Schwiz Besuch in diese Pizzeria. Der Chef wollte mir die Nummer von ihr nicht geben, aber er rief sie an und gab mir dann das Telefon. Sie erkannte mich sofort. 2 Stunden später trafen wir uns und es war, als hätten wir uns gestern das letzte Mal gesehen. Riesige Freude beiderseits. 🙂 Jetzt ist der Kontakt wieder da und ich warte auf ihren Besuch. Und den Clown gibt es immer noch…..
Claudia Schmid
Silver Sandals
After school or on Saturdays, I would sometimes take the bus to downtown Boston to the Goodwill store. It was a brick building, inside was a large hall with high factory windows. The merchandise was lying on tables so you wouldn’t have to bend over to look at it. One day there were high-heeled sandals with a bit of a platform, tied together in pairs, in a pile on one of the tables. They cost 49 cents, or maybe it was $1.49. They were left over from the 1940’s, and the manufacturer had probably decided to finally clear them out (it was in the nineteen-sixties by then). The black suede ones were actually my size, and I wore them to Paragon Park later with Louise and her boyfriend, Jimmy Canavas. (We thought that was the most amazing name because it sounded like “cannabis”.) I felt so good stepping out the front door wearing a light grey cable knit sweater and a straight narrow skirt of the same colour (both from Goodwill) when they picked me up. The silver ones never fit me, they’re too small. My daughters never wore them to any carnival dress-up parties; the second-hand store in Vienna didn’t want them, so here they are.
Irma Rappl-Wilson
Zigarettendose
Die Zigarrettendose stammt von meinem Großvater, einem soignierten Herrn der alten Schule. Sie ist aus Silber und wird so um 1920 entstanden sein. Ich meine, dass man ihr dieses Alter auch ansehen kann. Das Muster an der Außenseite erinnert an ein Netz. Für die heutigen Filterzigaretten ist die Dose zu kurz. Damals hat man Filterlose geraucht oder oft Abadie-Zigarrettenpapier verwendet und sich die Zigaretten selber gedreht. „Die Dame in Email“ am Deckel finde ich besonders attraktiv. Sie trägt ein großzügig ausgeschnittenes, weißes, blau geblumtes Kostüm, einen modischen Hut, Stöckelschuhe und Strumpfbänder. In ihrer behandschuhten Hand hält sie ein Schmetterlingsnetz; ein kleines Körbchen für den Insektenfang hat sie um die Taille gebunden. Wenn man sie in ihrer neckischen Pose genau ansieht, könnte man meinen, dass sie nicht unbedingt auf Schmetterlinge aus ist, sondern recht menschliche Absichten hat. Diese Dose ist zweifellos ein Accessoire für einen Mann; und der wird sie jedes Mal mit Vergnügen verwenden. Da ist mir wirklich etwas entgangen: Ich bin nämlich Nichtraucher.
Peter Binder-Krieglstein